Manchmal wünscht sie sich, sie wäre eine englische Pfundmünze: dann würde sich nämlich jeder freuen, sie zu sehen. Little Bee ist 16 Jahre alt und stammt aus Afrika. In ihrer Heimat ist ihr Schreckliches zugestoßen, seit zwei Jahren lebt sie in einem englischen Abschiebelager für Asylbewerber, doch trotz allem ist sie ein Mensch voll Lebensfreude, Witz und Intelligenz. Vor Jahren hat sie in Nigeria das Ehepaar Sarah und Andrew, die im englischen Kingston-upon-Thames ein privilegiertes Leben führen, kennengelernt. Ein furchtbares gemeinsames Erlebnis hat eine tragische Verbindung zwischen ihnen geschaffen. Als Little Bee aus dem Lager entlassen wird, ruft sie bei Sarah und Andrew an. Einige Tage später bringt sich Andrew um. Und kurz darauf steht Little Bee vor Sarahs Tür...
Little Bee ist ein krasses Mädchen. Unglaublich mutig, clever, mitfühlend, tough und sensibel. Little Bee, das Buch, ist ungefähr das gleiche. Emotional, spannend, sehr gut geschrieben. Schockierend. In diesem Buch kommen wir den Problemen der Flüchtlinge und der Flüchtlingspolitik so nah wie sonst nie. Nicht jedenfalls der Durschnitts-Mensch der westlichen Welt. Wir machen nur einen kleinen Prozentsatz auf der Welt aus und natürlich, wir wissen, es gibt sie, die anderen. Aber wie es so schön (?) heißt: Aus den Augen, aus dem Sinn. Nur wer noch Nachrichten guckt oder liest, der hat wenigstens eine ungefähre Vorstellung davon, wie es wirklich aussieht auf der Welt.
Little Bee, die eigentlich nicht so heißt, kannte vor ihrer Flucht auch nichts anderes als ihre kleine wunderbare Welt, in der sie gelebt hat. Chris Cleave schafft Little Bees Welt in unsere zu bringen, wir lernen, wie es war im Dorf im nigerianischen Dschungel zu leben, wo das wichtigste war, die Felder zu pflücken und ihre Eltern, ihre Schwester und sie glücklich waren. Bis die Ölfirmen kamen. Die Korruption. Der Kapitalismus und das unmenschliche, rücksichtslose Handeln der Menschen.
Der Gedanke, dass Little Bee als 16jährige sogar ein Jahr jünger ist als ich und sich jahrelang bis nach England durchgekämpft hat, damit sie dort wieder um ihr Leben bangen muss, das schockiert. Und es macht mich wütend, wie resigniert die Menschen darauf reagieren. Das ist nunmal die Realität, die Flüchtlinge müssen leiden, wer kann das schon ändern? Das Buch stellt eine andere Frage: Muss es wirklich so bleiben und können wir das alle mit unserem Gewissen verantworten, sobald wir dieser Realität ins Auge blicken? Dürfen wir uns überhaupt aus dieser schrecklichen Affäre ziehen? Haben wir eine Wahl?
Die Verwebung von Sarahs Lebensgeschichte mit der von Little Bee ist dem Autor perfekt gelungen. Es gibt eine große Auflösung im zweiten Drittel des Buches, die einem noch einmal die Augen öffnet, und es ist nicht einfach zu entscheiden, wie man zu den jeweiligen Charakteren stehen soll. Was mich sehr gefesselt hat, war die Aufteilung des Buches. Abwechselnd kommen Little Bee und Sarah zu Wort und ihre Geschichte wird nach und nach entwirrt. Jedes Kapitel ist so lang, dass ich ganz vergesse, dass auch noch aus der anderen Perspektive erzählt wird und bei jedem neuen Kapitel wurde ich überrascht, wie die jeweils andere Person zu dieser oder jener Situation steht.
Dadurch, dass Chris Cleave den zwei Frauen sehr unterschiedliche Stimmen verleiht, die ich geradezu in meinem eigenen Kopf hören kann, fiel es leicht die Story aus ihren Augen zu sehen und ihre Beweggründe zu erfassen. Niemand verlangt dabei, ihnen recht zu geben, es gut zu heißen. Niemand verlangt, über die Geschichte von Little Bee und Sarah zu urteilen. Ich habe es als Denkanstoß verstanden. Ja, es ist eine fiktiver Plot. Aber die Probleme, die der Plot behandel, sind real. Und auch das Ende blieb authentisch, es hat nicht versucht irgendwas zu verschönern.
Chris Cleave gibt mit Little Bee dem Leser einen Denkanstoß. Unsere Welt und ihre Welt sind in Wahrheit ein und dieselbe. Und sie wird so aufgezeigt, wie sie auf beide Hauptcharaktere wirkt. Beide Frauen kommen zu Wort, damit man sie nicht gleich verurteilt, sondern ihre Situation kennen lernen darf. "Little Bee" ist keine leichte Kost, das nicht. Aber durch die vielen Facetten der Charaktere , die Zwiebelung der Geschichte und dem manchmal hurmorvollen und ebenso sensiblen Schreibstil wird es zu einem Buch, das einerseits Ecken und Kanten hat und trotzdem als Ganzes perfekt abgerundet ist.
Infos
von Chris Cleave
Genre: Roman
Verlag: dtv
Seiten: 317
Hey Ley :)
AntwortenLöschenich finde, das Buch hört sich sehr interessant an und ich werde es mal näher betrachten. Es ist jetzt erstmal auf meiner Wuli gelandet.
Das Thema ist ja immer aktuell und ich finde es gut, darüber mehr zu erfahren, da ich ja gar nicht weiß, wie das ist. Toll finde ich auch die verschiedenen Sichten.
Danke für die schöne Rezi :)
Liebste Grüße Sine
Schön, dass ich dich damit erreichen konnte, es ist ein Buch, das wirklich mehr Aufmerksamkeit bei uns verdient haben sollte! =)
LöschenIch hatte auch nur wenig Vorwissen, deshalb würd ich echt empfehlen, auf schlimme Sachen gefasst zu sein. Jaa, die machen es richtig anschaulich ^.^
Liebste Grüße zruck!
Hei c:
AntwortenLöschenKlingt nach einem guten Buch! Habe ich allerdings noch gar nichts von gehört. Muss es mir vielleicht doch mal näher ansehen! Danke für den Tipp und die tolle Rezension!
Ganz viele liebe Grüße, Rainbow ☼♥
P.S. Auf meinem Blog kannst du gerade dein Wunschbuch gewinnen. Vielleicht hast du Lust, vorbeizuschauen? Ich würde mich freuen.
Jaa, es ist nicht so ein bekanntes Buch in unserer Jugend-Bloggerszene ;) Und ich lese sonst auch eher "gehypte" /berühmte Bücher, die viele kennen, aber das Buch war wirklich ne schöne Abwechslung, wie gesagt, kanns nur empfehlen!!
LöschenDankeschön ♥ Ich werd auf jeden Fall mal vorbeigucken ;)
Hallöchen :)
AntwortenLöschenWir haben das Buch im Englischunterricht gelesen. Wenn man es von der Schule aus machen muss, dann gibt es immer einen kleinen Teil der sich dem widerstrebt. Aber auch diesen konnte die Geschichte von Little Bee zunichte machen.
Little Bee hat mir die Welt aus einer anderen Perspektive gezeigt. Wir können wirklich froh sein, dass wir in unserer kleinen geschützten Welt leben, was wir ja aber oft nicht zu schätzen wissen. Und du sagst es - wie oft vergessen wir die Menschen da draußen, die um ihr Leben zu kämpfen haben, während wir es uns unter der Decke gemütlich machen und keinen Gedanken an sie verschwenden.
Deine Rezension ist wirklich toll.
Liebe Grüße,
Locke :)
Cool, dass ihr dazu gekommen seid! Ich würd mich ja persönlich total freuen, wenn wir in Englisch mal eine Lektüre hätten, aber des wird wohl nie wirklich passieren *seufz*
LöschenIch freu mich auf jeden Fall, dass du auch so denkst und dass es doch einige Leute gibt, die das Buch kennen und auch für so gut halten! Bücher können halt doch einen Einfluss haben - und wenn es nur eine Person betrifft, es zählt =) Deshalb, sowas nicht vergessen, auf jeden Fall!
Dankeschön, wie gesagt, bin sau froh, dass da wer draußen ist, der mit dem wissenden Auge liest und ich hab mir auch richtig Mühe gegeben!
Liebe Grüße zruck!