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[ReZi] Ich fürchte mich nicht

Montag, Juli 23 | 2 Beloved Words










Zu Anfang will ich unbedingt was los werden! Das Buch beginnt mit einem Zitat und nebenbei ist es auch noch mein Lieblingszitat und fast schon meine Lebenseinstellung ;)
Zwei Wege boten sich mir dar,
Ich nahm den Weg, der weniger begangen war,
Und das veränderte mein Leben.

Robert Frost, Der unbegangene Weg 

Meine Meinung
So. Die Geschmäcker sind bei diesem Buch ja gaaaanz verschieden. Das könnte der ein oder andere schon gemerkt haben, wenn man sich durch paar Rezensionen gelesen hat. Ich muss sagen, dass ich eher zu der Sorte tendiere, die von dem Buch begeistert ist - wobei ich auch zugeben muss: die Beschwerden der Beschwerenden sind gut nachvollziehbar.
Ich bin derzeit eher auf Liebesrumgekitsche gepolt, aber gleichzeitig auch auf actionreiche Szenen. Deshalb passte das Buch gerade supergut in meinen Kram. Voraus gesagt: Man muss sich auf etwas neuartiges einlassen =)

Und wovon die einen nur schwärmen und die anderen nur enttäuscht sein können, ist der Schreibstil.
Meine Welt ist ein Gewebe aus Wörtern, die meine Glieder, meine Knochen und Sehnen, meine Gedanken und Visionen verknüpfen. Ich bin ein Wesen aus Buchstaben, eine Figur aus Sätzen, eine Ausgeburt der Fantasie. (S. 72)
Für mich war es Poesie, wie Tahereh Mafi dieses Buch geschrieben hat, gespickt mit Bilder und Metaphern, die Emotionen um das doppelte verstärkt haben. Alles ist aus der Sicht von Juliette geschrieben, die oft weitreichende Gedanken haben kann. Manche Worte werden mehrmals wiederholt, was im Original bestimmt besser gewirkt hat als hier im Deutschen, denn da war es eher holprig.  Auch über eins kann man sehr verwundert/empört/verzaubert sein. Sie streicht Gedanken durch, die ihre Geheimnisse preisgeben würden, von denen sie glaubt, sie nicht denken zu dürfen oder sie einfach nicht denken, nicht zulassen will. Nach den durchgestrichenen Worten, steht das da, was sie denken sollte und durch diese Eigenart erkennt man von Anfang an, dass Juliette ein gespaltener Charakter ist. 
Ich konnte mit Juliettte fühlen, erleben, mich perfekt in sie hineinversetzen und mit ihr sympathisieren, sobald ich ihren Charakter verstanden hatte. Ihre Gedanken werden von Symbole und Metaphern bestimmt. Die meiste Zeit erzählt sie, was vor Jahren passiert ist. Seitenlang denkt sie nach, nur zwischendurch beschreibt sie das jetzige Geschehen, die Umgebung, ich fand das aber überhaupt nicht langweilig, denn die Rückblenden und Erklärung sind detailreich und spannend. Man erfährt immer mehr von ihrem schrecklichen Leben vor dem Gefängnis. 

Juliette lebt in einer Welt, die unsere sein könnte. Durch Krieg verwüstet, vergiftet.  Es existiert nichts mehr hoffnungsvolles, durch die Fehler vorheriger Generationen. Ein riesiges Lügengebilde hat dem Reestablishment  geholfen regelrecht "die Welt zu übernehmen" und die letzten bewohnbaren Flächen der Erde in 3333 Sektoren einzuteilen. Sie wollen die Kultur vernichten, heißt es. Von Systemgegnern ist nur indirekt die Rede, obwohl es viel Wut, Krawalle und Schreie gibt. Sie selbst wurde immer nur gemieden und letzten Endes von ihren eigenen Eltern weggesteckt in ein Irrenhaus - ihrer Gefängniszelle. Weil sie nämlich niemanden berühren darf, kann, obwohl sie ein unglaublich guter und sozialer Mensch ist. Und wieso darf sie das nicht? So richtig bis zum Ende hin bleibt es eher ein Geheimnis, als dass es aufgelöst wird.

"Die Erde ist eine Scheibe. Das weiß ich, weil ich vom Rand gestoßen wurde, und seit 17 Jahren versuche ich mich daran festzuhalten. Seit 17 Jahren versuche ich wieder auf die Scheibe zu klettern, aber man kann die Schwerkraft nicht bezwingen, wenn niemand einem die Hand reicht. Wenn niemand es wagt, einen zu berühren." 


Als Adam in die Zelle kommt, fällt ihr nicht auf, dass sie ihn eigentlich kennt. Sie denkt, er soll sie umbringen und hält sich anfangs von ihm fern. Für mich war Adam ein Unbekannter, sonstwer, der gefährlich sein könnte. Mit den Rückblenden und dem Verlauf des Buches, öffnet er sich aber und zeigt sich als der starke tolle liebevolle Mann, den jede möchte. Die Handlung ändert sich dann auf einmal so schnell, von der Gefängniszelle in die schreckliche reale Welt. Die Begegnung mit Warner - das war mir ein viel zu rasanter Wechsel, der mehr verwirrend als realistisch war. Auch verwirrend war als unsere Protagonistin auf einmal irgendwie so umschaltet und alles hasst, von einem Moment auf den anderen ohne eine Begründung zu nennen. 

Wie Juliette ein liebevoller Mensch bleiben konnte, obwohl sie von jedem immer nur Hass & Verachtung bekam, fand ich auch bewundernswert - besonders weil Mafi es so authentisch einfädeln konnte, ihr kauft man echt auch alles ab^^ Manchmal scheint Juliette stark zu sein, aber wimmert dennoch vor sich her. Sie hat ja auch nie was anderes als Hass und Angst erlebt, deshalb weiß sie oft nicht, wie sie auf bestimmte Situationen reagieren soll. Nur muss man sich erstmal an dieses Defizit von ihr gewöhnen. Adam ist dabei ihr einzigster und wahrer Freund. Stark und still und leidenschaftlich, ich musste ihn einfach mögen. Obwohl er Soldat ist, liebt er Juliette so zärtlich, so jemanden wünscht sich jede an ihrer Seite. Die Szenen zwischen Adam & Juliette sind toll und mit soviel Gefühl ausgestattet, denn die Liebe zwischen ihr und Adam geht tief und ist stark, heftig und jedesmal wenn sie in einem Raum aufeinander treffen, kann man die Hitze spüren, die Spannung - ein wenig too much konnte es dann doch schon werden ;)
Seine Lippen sind so nah an meinem Ohr, ich bin Wasser, und ich bin nichts und alles und schmelze in ein Verlangen, so heftig, dass es im Hals brennt, als ich es verschlucke. (S. 112)
Das Buch ist unüblich geschrieben und deswegen hängt der Leser an Juliettes Lippen. Noch die Seite - dann ist Schluss...........okay bis zum nächsten Absatz - nächsten, übernächsten, überübernächsten Kapitel.............ach ich lese einfach zu Ende! So ging es mir mit den 316 Seiten und alle hab ich gleichermaßen verschlungen^^ Worauf es jedoch hinausläuft ist mir nicht ganz klar gewesen oder ist es mir jetzt immernoch nicht, die Geschichte treibt weiter voran, blubbert ein wenig vor sich her, aber den roten Faden hab ich nicht so ganz sehen können. Trotzdem bleibt der Plot spannend und ich hab jede Sekunde mitgefiebert.

Vielleicht habt ihr es schon gemerkt - die Rezension wirkt etwas widersprüchlich? Das hängt damit zusammen, dass ich bei diesem Buch ein ständiges Auf und Ab der Emotionen erlebt habe und mich vom fesselnden Stil Tahereh Mafi's trotz Makel nicht entziehen wollte und konnte. Im Nebel bleibt die Bedrohung, nur Warner ist davon präsent. Genau wie Juliette wusste ich nie, was ich von ihm halten soll, dazu ist er viel zu widersprüchlich. So jung, aber skrupellos und ein eiskalter Killer. Immer vernachlässigt und ungeliebt, sehnt er sich jedoch nach Zärtlichkeit und Liebe, was man dennoch nachfühlen konnte. Das Liebespaar steckt besonders wegen ihm in einer gefährlichen Lage, von Zeit zu Zeit kann es aber auch witzig zugehen, besonders wenn solche Nebenfiguren wie Adam's Bruder oder Kenji in Erscheinung treten. 

An einigen Stellen enthält das Buch unterschwellige, wichtige Botschaften über Liebe, Freundschaft, Vertrauen, dass die Menschen die Erde nicht verkorksen sollten........
Mit der Zeit streicht Juliette in Gedanken (fast) nichts mehr durch, sie traut sich die Sachen zu denken, die sie denken will. An all diesen Merkmalen erkennt man, dass sie stärker, selbstbewusster wird, dass sie den Lebenswillen erfasst, den sie bisher nie hatte. Allerdings war es etwas seltsam, dass sie so ganz allein kämpfen, total abgeschottet sind und nie auf Rebellen treffen, auf irgendwas wird man doch aufmerksam, wenn man selbst gegen die Regierung kämpft oder? (obwohl ich mich da nicht so auskenne ;)

Bis zum Schluss wird nicht erklärt, was ihre Gabe/Fähigkeit/der Fluch(?) genau ist, sie war einfach schon immer ein Monster. Aha. Wieso? Nee, das wurde nicht so richtig aufgearbeitet und ich hoffe hoffe hoffe, dass das im Folgeband näher besprochen wird. Und ich hab noch zu bemängeln, dass Juliette ja so unglaublich, unfassbar gut aussehen muss. Denn ich finde, das hat das Buch echt nicht nötig, das passte irgendwie nicht ganz rein; sie hat soviel furchtbares erlebt, da ist es doch sch****egal, ob sie hübsch ist! (Abgesehen von Adam =P) Hauptsache, sie überlebt!

Der Wendepunkt ist plötzlich und die darauf folgenden weiteren Ereignisse auch ziemlich .....................spektakulär, ich war echt verblüfft! (und sooft kommt das nicht bei mir vor) Über den "Epilog" hab ich mich auch ein wenig gewundert! Nach dem Motto: "Hey, Moment, Moment, was soll das? Schon der Epilog?!" Das war ein Plötzlich-Ende, nicht unbedingt zu überstürzt, aber gewiss nicht der Norm der Cliffhanger entsprechend =)
Der Schreibstil und die Welt von Tahereh Mafi haben sich mir eindeutig eingeprägt und ich werde sie nicht so schnell in die Kategorie "Achh jaaaa, das war ja dieee da" schieben, sondern eher "Oh man, ich weiß noch genau, dass ich die so toll fand!"
Jetzt heißt es nur noch.......

OH GOTT, GEBT MIR SOFORT DIESEN ZWEITEN BAND!!!!!!!!!!!

Mein Urteil
Von diesem poetischen Schreibstil war ich sehr beeindruckt, von der Presse heißt es "sprachgewaltig" - das fand ich für meinen Teil auch! Auf soviel Gefühl & Spannung gleichzeitig war ich nicht vorbereitet, es war fast schon zum Nägel-Abkauen! Manche Zweifel sind da, man blickt nicht ganz durch, hapert mit dem Plot und kann so einige Probleme mit den Charakteren haben, obwohl jeder einzelne Tiefgründigkeit besitzt, die nicht selbstverständlich ist. Tahereh Mafi hat in wenige 316 Seiten ziemlich viel reingepackt, was manche nicht mit 500 schaffen. Im Endeffekt ist das Buch - ich sage es nochmal - völlig neuartig! Ein ziemlich gut gelungenes Debüt von Tahereh Mafi, in das ich bestimmt nochmal reinblättern werde.
4 von 5 Coffee Hearts
Hervorstechend, mit ein paar Mankos ;)

Zur Aufmachung:
Der Umschlag ist aus einem anderen Material den ich sonst kenne. Irgendwie dünner und glatter.  Juliette - ich geh mal davon aus - schwebt in einem nebeligen blauen Kleid in der Luft und schaut gen HImmel, der gerade aufreißt über der Steinfläche(?) und den grauen Überresten einer Stadt dahinter. Die Atmosphäre in dem Buch ist eigentlich ziemlich gut getroffen. Jedenfalls kann man den Titel auf verschiedene Weisen verstehen. Hat sie Angst vor sich? Vor Warner? Vor ihrer Gabe? Vor was genau? Sollen wir Angst vor ihr haben? Der Schriftzug ist sehr schön gestaltet und macht all diese Fragen möglich.
Die englische Ausgabe war einmal das rechte Bild, aber wurde dann geändert, und ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, die jetzige Ausgabe ist in ähnlichen Farben gehalten und Juliette's Auge ist darauf zu sehen, wie sie einem kämpferisch entgegenblickt. Der Titel passt sehr gut, aber was das Cover mit der Geschichte zu tun hat, ist mir nicht ganz klar - obwohl es total hübsch ist ;)

Shatter me
Es wird übrigens im Oktober ein e-Book erscheinen, aus Warner's Sicht, das überleitet zum nächsten Band, der Februar 2013 erscheint (im Original)

Deutsch
1. Ich fürchte mich nicht
2./3./4. unbekannt.

Englisch
1. Shatter me
1.5 Destroy me (2. Oktober 12)
2. Unravel Me (Februar 2013)
3. Unbekannt (Herbst 2013)

Danke
an den Goldmann Verlag für dieses spannende Rezensionsexemplar!

2 Kommentare:

  1. Tolle rezi ^^
    Zuerst hab ich den stil gehasst, aber jetzt finde ich ihn einfach super! Bleibt wirklich im Gedächtnis :)

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    1. Danke =)
      Ja, da musste man erstmal reinkommen^^ aber ich war schon gewappnet, weil ich schon lange ein Auge auf das Buch geworfen hatte und schon langer vorher auch die englische Leseprobe gelesen hab ;)

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Ley ♥

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